Aufgaben und Pflichten eines Betreuers / einer Betreuerin
Hinsichtlich der Aufgaben und Pflichten eines Betreuers / einer Betreuerin gibt es trotz der Konkretisierung in den §§ 1840, 1908b BGB nur wenige gesetzliche Regelungen. Es erscheint daher angezeigt, einheitliche Standards/Leitlinien für die Aufgaben und Pflichten zu entwickeln, an denen sich die Gerichte, Behörden, Betreuer/innen, Betroffene, ihre Angehörigen und die sozialen Dienste und Einrichtungen orientieren können. Häufigkeit des persönlichen Kontakts Zur Führung der Betreuung ist ein persönlicher Kontakt zwischen Betreuer/in und betreuter Person erforderlich. Die Frequenz der persönlichen Kontakte ist abhängig von den individuellen Voraussetzungen hinsichtlich übertragener Aufgabenkreise und des Gesundheitszustandes und kann nicht durch starre Regeln beschrieben werden. Kriterien für Kontakthäufigkeit sind insbesondere: • es sind gesundheitliche Angelegenheiten zu regeln • Häufigkeit der notwendigen oder sinnvollen gemeinsamen Erledigung von Angelegenheiten, insbesondere vertraglicher Natur • Notwendige Prüfung der Fähigkeit der betroffenen Person zur selbständigen Erledigung der eigenen Angelegenheiten • Prüfung der Notwendigkeit der übertragenen Aufgabenkreise (Ergänzung oder Einschränkung) • Notwendige Besprechungen mit und Überwachung von Leistungserbringern vor Ort • Sicherstellung des Lebensunterhalts, der notwendigen Unterstützungsleistungen und von Krisenintervention • wenn die betreute Person die Betreuer/innenbestellung oder den Betreuer/die Betreuerin bzw. den Kontakt zu ihm oder ihr ablehnt. Trotz dieser Verweigerungshaltung sollte der Betreuer/ die Betreuerin versuchen, einen Kontakt herzustellen, • wenn Komapatienten, verständigungsunfähige und schwer demente Personen keinen Gedankenaustausch zulassen oder • wenn der Kontakt wegen extremer Reaktionen nicht mit dem objektiven Wohl des Betroffenen in Einklang zu bringen ist. Die subjektive Erwartung des Betroffenen hinsichtlich der persönlichen Zuwendung kann kein Kriterium für die Besuchshäufigkeit sein. Eine größere Entfernung zwischen dem Arbeitsplatz des Betreuers/der Betreuerin und dem Wohnsitz der betreuten Person begründet nicht automatisch die Nichteignung des Betreuers/ der Betreuerin. Ein persönlicher Kontakt ist unzumutbar, wenn dieser mit konkreten Gefahren für den Betreuer/ die Betreuerin verbunden ist. In beiden vorgenannten Fällen muss sich der Betreuer/ die Betreuerin selbst auf die eigene weitere Eignung hin prüfen. Besprechungspflicht Die Betreuerin/ der Betreuer muss sich ein zuverlässiges Bild von den Vorstellungen und Wünschen der betreuten Person und von ihrer Lebenssituation machen können. Die Betreuerin/ der Betreuer bespricht daher in Anwendung des § 1901 Abs. 3 Satz 3 BGB mit dem/ der Betroffenen Angelegenheiten, die wesentliche Auswirkungen haben auf u.a. auf dessen/ deren • Wohnung oder Heimeinrichtung als Lebensmittelpunkt • Zusammenleben mit nahen Bezugspersonen • rechtliche und finanziellen Verpflichtungen oder Ansprüche • medizinische Behandlung und/oder Rehabilitation • berufliche Tätigkeit, Eingliederung in den Arbeitsmarkt, Teilhabeleistungen am Arbeitsleben oder tagesstrukturierende Beschäftigung • eingerichtete Betreuung (z.B. Erweiterung oder Einschränkung der Aufgabenkreise, Betreuer/innenwechsel, Einwilligungsvorbehalt, Maßnahmen zur Aufenthaltsbestimmung ) • gerichtlich genehmigungspflichtige Handlungen Betreuer/innen beachten bei der Besprechung und Entscheidungsfindung religiöse und weltanschauliche Einstellungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des/ der Betreuten. Betreuer/innen besprechen mit den betreuten Personen insbesondere von ihnen zu treffende Entscheidungen bzw. Handlungen oder Unterlassungen, wenn sie zum Wohl der Betroffenen von deren Wünschen abweichen möchten. Ein erläuterndes Gespräch dient möglicherweise auch dazu, überzeugend auf die betreute Person einzuwirken. Aufgrund der Kenntnis über die betreute Person und ihre Erkrankungen bzw. Behinderungen sowie über ihre Kommunikationsmöglichkeiten entscheiden Betreuer/innen über die Zumutbarkeit und Form der Besprechung. Dabei sollen sie bei der Gesprächsführung und Wortwahl die vorhandenen Fähigkeiten der Betroffenen berücksichtigen. Die Besprechungspflicht kann, soweit bei der betroffenen Person entsprechende Verständigungsmöglichkeiten bestehen, teilweise fernmündlich oder auf andere Weise erfüllt werden. – Auch wenn keine Entscheidungen von der betreuten Person zu erwarten sind, müssen wichtige Angelegenheiten mit ihr besprochen werden. Unterlässt der Betreuer/ die Betreuerin eine an sich gebotene Besprechung mit der betreuten Person, weil diese deren Wohl zuwiderliefe, wird dies in dem Bericht des Betreuers/ der Betreuerin an das Betreuungsgericht dokumentiert. Medizinische Maßnahmen Betreuer/innenpflichten gegenüber Dritten (im Rahmen stellvertretenden Handelns) bestehen im Rahmen des Aufgabenkreises Gesundheitssorge nur dann, wenn der/die Betreute situativ einwilligungsunfähig ist und selbst keine Einwilligungserklärung abgeben kann. – Bei bestehender Einwilligungsfähigkeit der betreuten Person hat der Betreuer/die Betreuerin keine Rechtsmacht, um an deren Stelle zu entscheiden. Hier darf der Betreuer/ die Betreuerin nur beratend und unterstützend tätig werden. Bei Uneinigkeit über die Einwilligungsfähigkeit zwischen Betreuer/in und behandelndem Arzt/ behandelnder Ärztin soll eine Fachärztin/ ein Facharzt für Psychiatrie oder eine Ärztin/ ein Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie hinzugezogen werden. Liegt keine Einwilligungsfähigkeit vor, muss die Betreuerin/ der Betreuer • die ärztliche Aufklärung entgegennehmen, • eine Entscheidung über die Behandlung treffen, • eine entsprechende Erklärung abgeben und • ggf. vorher die gerichtliche Genehmigung gem. § 1904 BGB einholen. Die persönliche Entgegennahme der ärztlichen Aufklärung durch den Betreuer/ die Betreuerin und die Erörterung von Behandlungsalternativen ist nur bei gerichtlich genehmigungsbedürftigen Eingriffen und der Sterilisation geboten. Sonst kann die Entgegennahme der Aufklärung und Erklärung zur Zustimmung fernmündlich/-schriftlich erfolgen, insbesondere hinsichtlich der Anästhesie, außer bei konkreten Risikoanhaltspunkten. Eine Besprechungspflicht mit der betreuten Person besteht, sofern sie aufklärungsbedürftig ist, zur Feststellung der Einwilligungs(un)fähigkeit. Bei feststehender Einwilligungsunfähigkeit besteht eine Besprechungspflicht nur dann, wenn mit dem/ der Betroffenen überhaupt eine Kommunikation möglich ist. Betreuer/innen müssen zu Gunsten ihrer nicht einwilligungsfähigen Betreuten einen Behandlungsvertrag abschließen und deren Rechte aus diesem Vertrag geltend machen. Die Entscheidungsfindung dürfen Betreuer/innen nicht auf andere delegieren. Hilfeplanprozess Der Betreuer/ die Betreuerin soll grundsätzlich an Hilfeplankonferenzen und Helferkonferenzen teilnehmen, in denen die medizinische Behandlung, die pädagogische Betreuung, die Pflege und die soziale und berufliche Rehabilitation der betroffenen Person erörtert werden, insbesondere bei statusändernden Anlässen. Dies gilt nicht, wenn es keinen Anlass dafür gibt zu vermuten, dass die Rechte des/ der Betroffenen gegenüber Leistungsträgern und Leistungserbringern vertreten werden müssten. Wenn die Betreuerin/ der Betreuer an der Konferenz teilnehmen soll und will, muss der Termin mit ihr/ ihm abgestimmt werden. Vermögensverwaltung Zu Beginn der Betreuung nimmt die Betreuerin/der Betreuer eine Bestandsaufnahme/Ermittlung des beweglichen und unbeweglichen Vermögens, entsprechender Versicherungen, offener Forderungen gegenüber Dritten sowie Forderungen von Dritten bzw. Schuldenständen des/der Betreuten vor. Die Betreuerin/ der Betreuer ergreift Maßnahmen zum Schutz des Klientenvermögens vor Beschädigung, Zerstörung oder Verlust. Die Verwaltung des Vermögens dient dem Wohl des/ der Betreuten und nicht den potentiellen Erben oder eigenen Vergütungsansprüchen. Berechtigte Ansprüche sind bei Leistungsfähigkeit zu befriedigen, ungerechtfertigte An- sprüche sind abzuwehren. Die Reihenfolge der Anspruchsbefriedigung kann nicht vom Wunsch der Betreuten abhängig gemacht werden, sondern muss von den Betreuerinnen und Betreuern pflichtgemäß bestimmt werden. Betreuer/innen tragen Sorge dafür, dass Eigentum und Vermögen ihrer Betreuten von ihrem eigenen Eigentum und Vermögen getrennt ist. Das Selbstkontrahierungsverbot gem. § 181 BGB ist stets zu beachten (bspw. Kreditgewährung und Mandatierung von Anwälten/ Anwältinnen, die gleichzeitig Betreuer/innen sind). Betreuer/innen dürfen keine Geschäfte im Namen von Betreuten mit anderen Personen tätigen, wenn unmittelbar oder mittelbar ein eigenes Interesse berührt ist. Betreuer/innen dürfen das Kapital der Klientinnen und Klienten nicht verleihen, auch wenn damit Gewinne erzielt werden können. Berufsmäßige Betreuer/innen dürfen keine Schenkungen von ihren Betreuten annehmen. Kontrolle von Leistungserbringern Betreuer/innen obliegt es persönlich festzustellen, ob sich der Allgemeinzustand der Betreuten (äußere Erscheinung, körperliche Verfassung und direktes Lebensumfeld) offensichtlich verändert hat. Sie müssen sie daher (auch unter Haftungsaspekten) aufsuchen, um sich ein eigenes Bild zu machen. Betreuer/innen dürfen sich nicht auf die Erwartung beschränken, dass der Einrichtungsträger telefonisch über eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes (insbesondere als Folge von Pflegefehlern) informieren wird. Sie überprüfen, ob die Lebensumstände und die Weiterführung der in Anspruch genommenen Dienste auch weiterhin angemessen bzw. ob zusätzliche Dienstleistungen unter medizinischen oder sozialen Aspekten erforderlich sind. Betreuer/innen können grundsätzlich von Fachlichkeitsstandards und akzeptabler Ergebnisqualität von sozialen Diensten ausgehen. Erst ein konkreter, auf die Qualität der Versorgung des/ der einzelnen Betreuten bezogener Anfangsverdacht, verpflichtet Betreuer/innen zum Handeln. Der Umzug ins Heim und die Wohnungsauflösung (i.S. des Transports und der tatsächlichen Beräumung) gehören nicht zu den Aufgaben von Betreuerinnen und Betreuern. Betreuer/innen sorgen dafür, dass dies mit Mitteln der Betreuten – oder ggf. unter Inanspruchnahme von Sozialleistungen – erledigt wird. Betreuer/innen sind persönlich für die Sicherung von Einrichtungs- und Wertgegenständen im Rahmen der allgemeinen Sorgfaltspflicht verantwortlich. Abwesenheitsvertretung Die Vertretung im Krankheits- oder Urlaubsfall muss für alle am Betreuungsprozess Beteiligten eindeutig geregelt sein. Eine Vertreterbestellung bereits im Bestellungsbeschluss ist wünschenswert, um im Verhinderungsfall im Interesse der betreuten Person sofort handlungsfähig zu sein. Eine formlose Vertreterbestellung z.B. für Bürogemeinschaftspartner/innen durch Betreuervollmacht (soweit diese im Rechtsverkehr akzeptiert wird) ist nur auf delegierbare Tätigkeiten anwendbar. Für persönlich von der Betreuerin/ dem Betreuer zu entscheidende Angelegenheiten ist eine solche Vollmacht unzulässig Erreichbarkeit der Betreuer/innen in Krisensituationen Betreuer/innen sorgen zuverlässig für eine angemessene Erreichbarkeit. Die Nichterreichbarkeit der Betre¬er/innen in einer Krise der betreuten Person begründet nicht ihre Nichteignung. In akuten Krisensituationen sind Not- und Bereitschaftsdienste zum Handeln verpflichtet, auch wenn ein Betreuer/ eine Betreuerin nicht erreichbar ist. Das Selbstverständnis von bereitschaftsdienstbereiten Berufsgruppen (Ärzteschaft, Pflegekräfte, Sozialarbeiter/innen) ist nicht auf rechtliche Betreuer/innen übertragbar. Ärztinnen und Ärzte müssen eine medizinische Notfallbehandlung auch ohne Einwilligung der Betreuer/innen durchführen. Die Erreichbarkeit der Betreuer/innen außerhalb üblicher Bürozeiten ist nicht geboten bspw. bei: • Heimentweichung oder Empfang aufgefundener Personen • Wegfall der häuslichen Versorgung (Tod, Krankheit) • plötzlicher Obdachlosigkeit (Wohnungsbrand, Überschwemmung) • Medikamentenbereitschaftsversorgung: der Betreuer/ die Betreuerin muss mit Sozialen Diensten Absprachen und Vorkehrungen treffen (Verweis auf Handreichungspapier Behindertenhilfe) • der Zuführung zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung. Selbst wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Betreuer/innen und Betreuten unabdingbar den persönlichen Beistand der Betreuer/innen erfordert, begründet dies keine standardmäßige Erreichbarkeit für solche Unterbringungen. Not- und Bereitschaftsdienste haben bei Unterbringungen selbst die Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten. Betreuer/innen handeln nur im Betreuteninteresse, nicht im Interesse der Dienste. • Betreuer/innen müssen sich vor dem Vollzug der zivilrechtlichen Unterbringung von deren Notwendigkeit überzeugen. Dabei sollen sie pflichtgemäß abwägen, ob der Vollzug der Unterbringung ihre Anwesenheit erfordert. Es gibt nur eine seltene Ausnahmesituation, in der die Erreichbarkeit der Betreuer/innen im Sinne einer Wochenendbereitschaft erforderlich ist: Wenn die Betreuer/innen die betreute Person ohne Gerichtsbeschluss selbst gem. § 1906 BGB (mit Aufenthaltsbestimmung) untergebracht haben, sind sie für die Aufhebung verantwortlich, wenn die Unterbringungsvoraussetzungen weggefallen sind, d.h. sie haben die Entscheidung über die Aufhebung persönlich zu treffen und an die Einrichtung zu übermitteln. Delegation von Tätigkeiten Tätigkeiten organisatorischer Art im eigenen Verantwortungsbereich können an Mitarbeiter/innen delegiert werden. Die Erledigung dieser Aufgaben gilt im Rahmen der Betreuer/innenvergütung als abgegolten und ist nicht gesondert in Rechnung zu stellen. Wenn hingegen vernünftige Durchschnittsbürger/innen Aufgaben an Dritte/ Spezialistinnen und Spezialisten vergeben würde - oder wenn die betroffene Person dies bereits vor dem Eintritt ihrer Betreuungsbedürftigkeit selbst getan hat - darf der Betreuer/ die Betreuerin für Rechnung der betreuten Person auch Dritte einschalten. Falls die persönliche Geldeinteilung und Auszahlung an die betreute Person erforderlich ist und nicht durch die Betreuer/innen oder deren Mitarbeiter/innen erfolgt, so kann diese Tätigkeit an Dritte übertragen werden. Diese werden ggf. für Rechnung des/ der Betreuten tätig. Wird dazu z. B. ein besonderes Konto (Taschengeldkonto) eröffnet, sind die darauf anfallenden Gebühren ebenfalls von dem/der Betreuten zu tragen. Im Rahmen der Gesundheitssorge ist die Entscheidungsfindung nicht delegierbar. Berichtspflicht gegenüber Betreuungsgericht Betreuer/innen kommen ihrer Berichts- und Dokumentationspflicht gegenüber dem Betreuungsgericht unaufgefordert und zeitnah nach. Sie sorgen für Transparenz ihrer Arbeit und legen Rechenschaft über ihre Tätigkeiten ab.